Kommen Führungskräfte zu mir ins Coaching, dann befinden sie sich oftmals am Anfang dieser Entwicklung. Sie machen den Job seit kurzen und merken täglich, wie sehr sie die neue Funktion fordert. Neben einer reinen Priorisierung des Alltages, geht es immer auch darum, die Rolle mit Leben zu füllen.
Bei diesem Auftrag geht es darum, die Werte als Führungskraft zu erkennen und sie so transparent zu haben, dass man sie im Alltag auch sehr gut nutzen kann. Und um dieses Bewusstsein zu stärken, mache ich die heutige Podcastfolge, in der ich euch einen typischen Prozess schildere und auch die Instrumente dazu vorstelle.
Für Euch interessant: Diese beiden Instrumente gibt es auch als Lernkarte zum Download.
Ermittele deine Werte – Download für Dich
Diese Führungskraft ist Anfang 40 und Teamleiter eines Vertriebsteams eines mittelständischen Unternehmens. Er führt 7 Mitarbeiter, die bunt gemischt daherkommen. Er wurde vom Kollegen zum Vorgesetzten und übt die Funktion seit etwas mehr als einem halben Jahr aus. Er lernt die Grenzen der Funktion immer stärker kennen und merkt, dass er eben nicht mehr der Kollege ist, mit dem man locker flockig daher plaudert. Auch wenn das Verhältnis gut scheint, bemerkt er die verschwundene Lockerheit und muss damit zurechtkommen.
Das war ein kurzer Abriss zum Coachinganliegen. Wir haben vereinbart, dass wir seine Werte transparent machen, sie diskutieren und im Führungsalltag etablieren. Dieser Auftrag soll aber auch dazu dienen, diese Grenzen bzw. die Überschneidungspunkte sichtbar zu machen.
In meinen Coachings ist es normal, dass ich die Klienten zum Start kaum kenne. Eine erste Übung, die mir auch immer wieder als Ausgangspunkt für Lösungsansätze dient und den Zweck hat, den Klienten besser kennenzulernen, ist die sog. Veränderungsbiografie.
Veränderungsbiografie als Basis eigener Werte
Die Veränderungsbiografie ist auch unter dem Namen „Ereigniskurve“ bzw. „Fieberkurve“ in systemischer Therapie und Coaching im Zusammenhang mit der Biografiearbeit bekannt. Beim Einsatz der Ereigniskurve wird die Themenhoheit dem Interviewer entzogen und dem Gesprächspartner, der aus seiner Erinnerung erzählt, gegeben. Denn die Ereigniskurve legt die Themen fest, die im anschließenden Gespräch behandelt werden.
Es geht also darum auf einer Zeitachse die beruflichen und auch die privaten Stationen abzuzeichnen und sie positiv oder negativ zu bewerten. Dadurch entsteht eben diese Kurve. Diese Visualisierung dient als Auftakt für eine Erinnerungsarbeit an positive und negative Erlebnisse in der Vergangenheit und liefert ein Verständnis für den Umgang mit Veränderungen.
In diesem Fall baute ich mit dem Klienten eine Brücke von seinen ehemaligen Veränderungen bis hin zu seiner aktuellen Position. Außerdem sprachen wir explizit darüber, welche Werte ihn bis dato immer angetrieben haben. Also: Was war die in der Station XY wichtig? Wie hast du es aus dem Tal hoch auf die Spitze geschafft? Wieso rutschte es an der Station XY ins Negative?
Eigene Werte zu ermitteln, ist keine Hexerei
Ihr seht, die Arbeit mit Werte ist kein Hokuspokus. Es geht nur mit der Offenheit des Klienten und mit genügend Zeit. Wenn die Werte dann klar und transparent sind, dann kann man diese näher definieren und für den neue Funktion übertragen.
Aber dazu würde ich gerne erstmal eine Definition von Werte anbringen:
„Werte sind tief-verwurzelte, bedeutsame und durchdringliche Überzeugungen, Haltungen (Einstellungen), Ideale und Bedürfnisse, die das Gute oder Schlechte betreffen. Sie tragen im Wesentlichen zum Charakter, der Identität eines Menschen bei. Wir verstehen die Welt um uns herum durch Werte und orientieren uns an Ihnen. Auch in den unvermeidlichen Fragen und Herausforderungen, mit denen wir als Menschen in unserem Leben konfrontiert werden, wie: Was möchten wir für uns und was möchten wir für andere, was ist zu tun und wie sollten wir uns verhalten“ (ethik-unterrichten.de; 2023).
Es sind also Zielvorstellungen, die wir persönlich erreichen möchten.
Nun geht es in der folgenden Übung darum, dass wir diese Werte definieren und sie für den Führungsalltag nutzbar machen. Dazu durchläuft der Klient drei Schritte pro Wert und erhält so einen 360 Grad Blick auf die Dinge, die ihm wichtig sind.
Drei Schritte für die eigenen Werte
Gehen wir die drei Schritte einmal durch:
Im ersten Schritt geht es um das Erleben des Wertes im Führungsalltag. Dieser Schritt kann durch Leitfragen begleitet werden, wie z.B.
- „Woran spüre ich/erkenne ich diesen Wert in meinem Arbeitskontext?“,
- „Woran erkennen meine Mitarbeiter, dass ich diese Werte lebe?“,
- „Wo begegnet mir/meinen Mitarbeitern dieser Wert?“.
Bedeutsam ist es, an dieser Stelle mehrere Perspektiven einfließen zu lassen und damit den individuellen Wahrnehmungsraum zu öffnen. Daher habe ich den Klienten gebeten, nach weiteren Gruppen (Kunden) zu suchen, die seine Werte ebenfalls wahrnehmen.
Im zweiten Schritt schauten wir auf den Nutzen eines Wertes. Mir und auch dem Klienten ist es wichtig, dass man den Wert für sich und seine Arbeit auch nutzen kann und will. Aus diesem Grund müssen wir klären, was dieser Wert bringt
Anhand der Leitfragen „Wofür ist es gut, dass du diesen Wert lebst?“ und „Wobei hilft mir/uns dieser Wert im Arbeitskontext?“ kamen wir dem Nutzen näher
Im letzten Schritt ging es um den persönlichen Beitrag, den mein Klient leisten sollte. Folgende Frage „Was ich hier ganz konkret tun kann …“ dient als Startschuss für diesen Punkt.
Diese Fragen gehen wir Wert für Wert durch. Da es sich bei Werte um Grundüberzeugungen handelt, reichen 3-4 Werte aus. Viele Werte wiederholen sich oder meinen das Gleiche. Außerdem sollten es nicht zu viele Werte werden, damit man den inneren roten Faden nicht gleich wieder verliert. Und auch wichtig: Das ist ein Umfang, der sich auch gut in einer Coachingsitzung von ca. 2h bearbeiten lässt.
Diese Übung lässt sich auch wunderbar Online abhalten und mit einem Miro-Board visualisieren. Zum Abschluss ist es wichtig, die einzelnen Arbeitspakete aus Schritt 3 sinnvoll zu kombinieren und einen Handlungsplan daraus zu erstellen.
Soweit mein kleines Fallbeispiel zum Thema Werte. Wie gesagt, kannst Du die Übungen auch zu Hause mal nachmachen.
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