In Deutschland wird nicht gerne über Geld gesprochen. Vielleicht ist es die Angst vor dem eigenen Status oder die Sorge vor neidvollen Blicken. Was der Kollege oder die Kollegin verdient, ist lieber ein Tabuthema.
Doch insbesondere im Bewerbungsprozess stößt die fehlende Transparenz unangenehm auf. Die Bewerber haben im Einstellungsverfahren eine schlechte Position und müssen einen €-Wert nennen, den sie für die Position bzw. für sich persönlich angemessen halten. Gerade Berufsanfänger haben hiermit enorme Probleme.
Um es vorwegzunehmen, ich bin ein Fan der Gehaltsangabe in der Stellenausschreibung. Und in der heutigen Podcastfolge möchte ich mit Euch sowohl über meine Pro-Argumente sprechen, aber auch darüber nachdenken, was ggf. dagegensprechen könnte.
Und somit herzlich willkommen zu Zuhören, Fragen, Führen.
Angaben verbessern die Performance der Stellenanzeige
Eine Analyse des Jobportals Stepstone zeigt, dass ein Bewerbungsformular in Ausschreibungen ca. 10 % häufiger angeklickt und abgeschickt wird, wenn Gehaltsprognosen in diesen zu finden sind – unabhängig von der Höhe. Das heißt, der Pool an Bewerbern wird größer, durch diese Angabe, was natürlich für die Unternehmen interessant klingt, die wenige Bewerbungen erhalten.
Generell werden Anzeigen, die ein Entgelt angeben, 30% häufiger geklickt. Das bedeutet also, dass so eine Angabe ins Auge fällt uns Interesse weckt.
Ein weiterer Grund wäre, dass die Bewerbenden die Anzeige, also hier die digitale Anzeige, nicht verlassen müssen, um an ihre Infos zu kommen. Das Risiko, dass die Bewerbung nicht abgeschickt wird, wird also minimiert.
Argument
Recruiting muss effizient laufen. Es gibt Unternehmen, bei denen das Verhältnis von Recruiter zu Bewerbungen aus dem Ruder läuft. Man tut sich und seinem Personal also einen Gefallen, wenn möglichst schnell Klarheit herrscht, was man vom Unternehmen zu erwarten hat.
Es weckt also nicht nur Begehrlichkeiten, sondern beugt Enttäuschungen vor, die ohne die Angabe erst im späteren Verlauf des Prozesses – meistens nach dem 1. Oder 2 Interview – offensichtlich werden. Das spart Kosten, Nerven und erhält die Chance, dass ein Bewerber euch in guter Erinnerung behält.
Argument:
Hat man sich für einen Kandidaten entschieden, steigt man tiefer in die Verhandlungen ein, die tendenziell einfacher laufen sollten, wenn das Gehalt transparent bereits in der Stellenanzeige auftaucht. Der Punkt der persönlichen Verhandlungsstärke wird minimiert, wenn eine Spanne angibt, wo der Tanzbereich liegt. Das stärkt auch die Rolle des Recruiters/HRlers, der nun explizit weiß, was Sache ist und besser kommunizieren kann.
Argument
Gleichzeitig siebt eine Angabe auch die Personen aus, die eine zu hohe Vorstellung beim Gehalt haben. Und eventuell motiviert es Bewerbende zu einem Jobwechsel, wenn sie merken, wie viel mehr an Geld nun doch möglich erscheint. Und das baut eine Brücke zum nächsten Argument…
Argument:
…denn die Angabe motiviert nicht nur externe Personen, sondern auch intern. Insbesondere bei einer Gehaltsspanne bietet es deinen Mitarbeitern die Möglichkeit, die Stelle als Entwicklung zu sehen.
Soweit meine Pro-Argumente. Was fallen Euch noch für Argumente ein, die ich hier nicht genannt bzw. vergessen habe. Schreibt es mir gerne als Nachricht, als Mail oder als Kommentar.
Was spricht gegen das Gehalt in der Stellenanzeige?
Kommen wir zu den Contra-Argumenten. Ich versuche dabei weitestgehend darauf zu verzichten, die Contra-Argumente mit meinen Pro-Argumente erneut zu widerlegen und lasse die Argument erstmal so stehen. Und da kommen wir recht zügig zum Top-Contra-Argument gegen das Mehr ans Transparenz.
Argument: Angabe schreckt Bewerber ab
Der Gedanke ist simpel. Wenn ich die Bezahlung angebe, dann schreckt das die Menschen ab, sich hier zu bewerben.
Argument: Ich hole mir Probleme ins Haus
Lesen deine Mitarbeiter die Stellenanzeige, dann merken sie eventuell wie weit sie von diesem Wert entfernt sind und stehen schnurrstracks im Büro der Führungskraft. Das dreht an der Gehaltsspirale.
Argument: Man schränkt die Verhandlungen ein
Oft wird hier angebracht, dass das Geld nicht als 1. Motivator gelten darf, einen Job anzunehmen, Also klärt man erstmal alles Andere und widmet sich dann dem Thema Gehalt. Der Wunsch, dass sich der Bewerber für das Gesamtpaket aus Aufgabe, Kultur, Karriere, Benefits und Geld entscheiden muss, ist allgegenwärtig.
Argument: Das Gehaltsniveau soll nach unten gedrückt werden
Das ist ein Argument, dass ich aus Personalkostensicht sehr gut nachvollziehen kann. Insbesondere, wenn ein MA jahrzehntelang im Gehalt gestiegen ist, ist ein „Neustart“ sinnvoll, auch dann, wenn man davon ausgeht, dass der oder Nachfolgerin mit weniger Erfahrung übernimmt.
Argument: Die Konkurrenz weiß, wie unsere Kosten sind.
Sicherlich eine Frage des Geschäfts, aber zu den Kosten gehört mehr als bloß das liebe Geld. Aber klar ist, dass es ein Anhaltspunkt sein kann, für eine semi-professionelle Hochrechnung. Die Frage ist nur, was es der Konkurrenz bringt. Die Festlegung des Entgelts erfolgt durch Analyse einer Aufgabe, je nach Stelle kommen Zulagen dazu. Ich finde, dass die Kombination aus Gehaltsangabe und Kosten zu kurz greift.
Argument: Über Geld spricht man nicht.
Ein Mantra, dass sich in unserer Gesellschaft manifestiert hat und sicherlich ein Punkt ist, denn man kommunikativ einfangen muss. Die Sprüche „Für dein Gehalt, musst auch ordentlich was leisten“ lassen sicherlich nicht lange auf sich warten.
Argument: Die Mitarbeiter fühlen sich benachteiligt.
Nochmal: Die Entgeltfindung erfolgt optimalerweise durch die Analyse einer Aufgabe. Hin und wieder wird das Gehalt dann noch verhandelt. Da kann es gute und schlechte Ergebnisse geben, da kann es aber auch strukturelle oder unbewusste Ungerechtigkeiten geben. In Zeiten des Fachkräftmangels muss ich als Unternehmen eventuell einen Zuschlag auf das Gehalt packen. Lange Rede kurzer Sinn: Über unbegründete Benachteiligungen muss ich reden.
Argument: Großunternehmen sind im Vorteil
Ja, das mag sein. Aber dein Unternehmen ist sicherlich mehr als bloß ums Geld. Es geht darum, das Unternehmen in Gänze gut darzustellen. Außerdem solltest du nicht vergessen, dass das bereits ein offenes Geheimnis ist und sowieso allen bekannt. Gleichzeitig bin ich immer wieder erstaunt, zu welchen Gehältern mittelständische Unternehmen fähig sind. Also unterschätzt den Mittelstand nicht.
Welche Argumente für die Contra-Seite fehlen euch? Schreibt mir auch hier gerne eure Anmerkungen.
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