An einem Arbeitstag mal etwas weniger zu tun haben und die Zügel etwas lockerer lassen. Für viele sicherlich eine tolle Vorstellung. Doch ständige Unterforderung und der fehlende Sinn tragen zur Unzufriedenheit im Job bei. Das heutige Thema im Podcast lautet: Boreout. Hilfe, ich langweile mich auf der Arbeit.
Die Studie „Arbeitszufriedenheit in Krisenzeiten 2022“ von AVANTGARDE Experts zeigt: Unterforderung als Grundlage für Boreout ist weiter verbreitet als gedacht, vor allem bei jüngeren Arbeitnehmern. 41 Prozent der befragten Arbeitnehmer finden, dass ihr Potenzial nicht ausgeschöpft wird oder fühlen sich sogar deutlich unterfordert.
Das Problem ist, dass auch ein Boreout nicht bei der Unzufriedenheit aufhört, sondern sehr wohl auch gesundheitliche Risiken mit sich bringen kann. Der Begriff leitet sich vom englischen Wort boredom ab, zu Deutsch: Langeweile. Damit ist das Boreout-Syndrom quasi das Gegenteil des Burnout-Syndroms – jedoch mit sehr ähnlichen Symptomen.
Was ist Boreout?
Boreout ist ein Zustand ständiger Unterforderung. Entweder in der Menge der Arbeit oder in der Qualität. Soll bedeuten, dass was ich tue, reicht nicht aus, um einen normalen 8-Stunden-Tag zu füllen. Du kannst dich und deine Fähigkeiten nicht unter Beweis stellen und kommst dir völlig nutzlos vor.
Am Arbeitsplatz zeigen vom Boreout Betroffene zwei zentrale Verhaltensweisen. So lenken sich viele einerseits ab, um den Tag trotzdem zu füllen: Sie surfen im Internet, telefonieren oder erledigen private Dinge. Andererseits täuschen sie darüber hinaus häufig ein hohes Arbeitspensum vor, indem sie Aufgaben unnötig in die Länge ziehen und Überstunden machen.
Also, das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Aus Angst aufgrund der Unterbeschäftigung den Job zu verlieren, zieht man die Aufgaben unnötig in die Länge und macht am Ende sogar Überstunden. Ein krasses Beispiel, dass ich aber sehr gut nachvollziehen kann.
Aber schauen wir nochmal auf die Ursachen für Boreout.
Ein Boreout entsteht, wenn den Betroffenen die Sinnhaftigkeit an der Arbeit fehlt: Sie haben das Gefühl, keinen Mehrwert zu leisten, nicht ausgelastet zu sein. Häufig stellen sie sich dann die Frage „Warum mache ich das überhaupt?
Die Gründe dafür sind vielfältig. Aus meiner Sicht sind es folgende Punkte:
- Die Stellenanforderungen sind unklar oder nicht ausreichend formuliert.
- Jede Stelle sollte eine aussagekräftige Stellenbeschreibung beinhalten. Also eine Übersicht aus der hervorgeht, welche Aufgaben zu erledigen sind.
- Oftmals erlebe ich, dass diese Aufgabe nicht oder nur mittelmäßig erledigt wird. Getreu dem Motto: Jeder wird schon wissen, was er oder sie zu tun hat.
- Gefährlich: Jede Entwicklung, die dein Team nimmt, sei es eine Reorganisation oder die Fusion mit einem anderen Team. Du agierst hier immer aus einem Bauchgefühl heraus und somit steht auch deine Position auf wackeligen Beinen. Spätestens wenn es nicht mehr ausreicht, einfach nur viele Menschen zu führen, solltest du konkret sagen können, was dein Team für Aufgaben erledigt.
- Die Stellenbesetzung ist mangelhaft.
- Wenn ich nicht weiß, was auf einer Stelle verlangt wird, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, die Stelle falsch zu besetzen.
- Im Fall eines Boreouts heißt das: Ich habe eine Person eingestellt, die überqualifiziert oder eben unterfordert ist.
- Oftmals ging das Job-Interview mit Versprechungen und Vermutungen einher, die am Ende nicht eingehalten werden können. Da geht es primär darum, die Person für die Stelle zu gewinnen.
- Natürlich muss auch ein Kandidat eine Stelle und eine Stellenausschreibung hinterfragen. Hier würde ich aber noch mildernde Umstände geltend machen. Der Kandidat oder die Kandidatin hat am Ende kaum Transparenz und muss das glauben, was gesagt wird.
- Die Erwartungen des Mitarbeiters sind zu hoch.
- Wenn wir die Perspektive drehen, dann ist natürlich auch wichtig, dass der Mitarbeiter nicht zu hohe Erwartungen an seine Aufgaben hat.
- Ich gehe hier davon aus, dass die Führungskraft ehrlich und transparent agiert.
- Die Gründe, weshalb es zu zu hohen Erwartungen kommt, sind natürlich ebenfalls vielfältig. Vielleicht ist ein (etwas unüberlegter) Jobwechsel, ohne sich genauer mit den Anforderungen zu beschäftigen.
- Vielleicht sind es aber auch persönliche Gründe, wie z. B. das Ausbleiben weiterer Karriereschritte, die auf die aktuelle Stelle übertragen werden.
Welche Symptome bringt ein Boreout mit sich?
Die Folgen von Boreout können eine allgemeine Unzufriedenheit im Job übersteigen. Hier zeigen sich auch Parallelen zum Burnout. Hält das Boreout-Syndrom über einen längeren Zeitraum an, schwindet das Interesse am Job, am Unternehmen und an der Branche. Betroffene reduzieren ihr Engagement und leisten nur noch Dienst nach Vorschrift. Sie haben Angst davor, sich an den Arbeitsplatz zu binden, während der Gedanke an einen Jobwechsel sie gleichzeitig überfordert – ein krankmachender Mix aus Stress, Belastung und lähmender Ohnmacht.
Das Boreout-Syndrom kann sich in einer Vielzahl von psychischen und physischen Symptomen niederschlagen. Zu den psychischen Anzeichen gehören:
- Antriebs- und Schlaflosigkeit
- Orientierungs- und Ziellosigkeit
- Niedergeschlagenheit bis hin zu sozialem Rückzug
- Unzufriedenheit bis hin zur Verzweiflung
- Gereiztheit bis hin zu Panikattacken
Zu den körperlichen Symptomen zählen:
- Magen-Darm-Beschwerden
- Kopf- und Rückenschmerzen
- Verspannungen
- Müdigkeit
- Tinnitus
- Schwindelgefühle
- Infektionsanfälligkeit
Boreout-Betroffene geraten schnell in eine Negativspirale: Die dauerhafte Unterforderung belastet Körper und Geist gleichermaßen. Das tägliche Versteckspiel vor Kolleginnen und Kollegen artet oft aus in einen permanenten Gewissenskonflikt, die gesundheitliche Belastung nimmt zu. Die Langeweile führt zu Stress, der Stress führt wiederum zu psychischen Problemen. Ein Abwärtstrend, der sich in verschiedene Phasen unterteilen lässt:
- Kein Interesse, mehr Ablenkung: Wer dauerhaft im Job unterfordert ist, hat irgendwann wenig Interesse an seiner Arbeit und lenkt sich während seiner Arbeitszeit häufig mit privaten Dingen ab – die Leistung schwindet.
- Mehr Frust, weniger Wertschätzung: Unterforderung führt zu Frustration. Und wer frustriert ist, neigt zur Verbitterung oder Sarkasmus.
- Negative Außenwirkung: Diese schlechte Stimmung und Gereiztheit fallen auch dem Umfeld aus. Arbeitgebende und Kollegen oder Kolleginnen ziehen Konsequenzen: Aufgaben werden an andere Mitarbeiter verteilt, die soziale Interaktion mit den Kollegen nimmt ab.
- Innere Kündigung und Krankmeldung: Frustration und Monotonie nehmen zu. Viele Betroffene haben innerlich bereits gekündigt, sie werden krank.
- Belastete Zusammenarbeit: Das hohe Frustrationslevel sowie die häufige Abwesenheit machen eine loyale und konstruktive Arbeit im Unternehmen immer schwieriger. Die möglichen Folgen: Krisengespräche, Abmahnungen und letztlich die Kündigung.
Was kannst Du als Führungskraft bzw. betroffener Mitarbeiter tun?
Betroffene, die keinen Weg aus dieser Krankheit finden, benötigen Unterstützung. Das Problem zu ignorieren und es zu überspielen, verstärkt hingegen das Gefühl von innerer Erschöpfung und Unzufriedenheit. Ich schaue mit Euch aber erstmal auf Schritte, die man vor dem Boreout unternehmen sollte.
Für die Mitarbeiterseite:
- Eine IST-Analyse machen: Sei ehrlich mit dir und frage dich, wie es dir mit dem aktuellen Job geht? Was sorgt für Langeweile und was für Spaß? Führe mal über ein paar Wochen Buch, um ein genaues Bild zu erhalten.
- Sprich mit der Führungskraft: Das ist sicherlich ein Gespräch, dass auch die Führungskraft nicht oft führen muss. Aber es ist wichtig, ehrlich und transparent zu machen, wie es dir mit der Situation geht. Noch besser läuft es, wenn du Ideen hast, wie es besser gehen könnte.
- Stärke deinen Selbstwert: Damit ist gemeint, dass Du die Energie aus anderen Bereichen deines Lebens ziehst, die eben nicht mit dem Job zu tun haben. Freizeit, Ehrenamt, Kinder, Enkelkinder, Hobby, Sport, Reisen, Kultur. Das Leben hat genug zu bieten und du bist mehr als der Job.
- Einen neuen Job o. eine neue Aufgabe übernehmen: Wenn das Gespräch nicht hilft und es keine Verbesserung gibt, dann hilft vielleicht ein Jobwechsel. Entweder intern oder extern in einem anderen Unternehmen.
Und was kannst du als Führungskraft tun, wenn ein Mitarbeiter unter Boreout leidet.
- Boreout als mögliche Erklärung für die Leistung ernst nehmen: Sicherlich kommt der Fall selten vor. Und dennoch solltest Du es in Betracht ziehen. Weniger aus einer enttäuschenden oder sogar verletzten Perspektive (Verletzter Stolz), sondern mehr aus der Perspektive der Personalentwicklung.
- Führe regelmäßige Mitarbeitergespräche: Dort kannst du regelmäßig herausfinde, wie es um die Arbeitsmoral deiner Mitarbeiter bestellt ist. So erfährst du frühzeitig, wenn die Dinge aus dem Ruder laufen.
- Denke über Job Crafting nach: Job Crafting ist eine Methode zur Ausrichtung des Jobs an die Stärken einer Person. Das kann deinem Mitarbeiter oder sogar deinem Team helfen, ihre Stärken besser einzusetzen. Wenn Du mehr darüber erfahren willst, dann höre dir die Folge zum Job Crafting hier im Podcast gerne noch einmal an.
Ich fasse nochmal zusammen:
Boreout ist ein Zustand ständiger Unterforderung. Entweder in der Menge der Arbeit oder in der Qualität. Am Arbeitsplatz zeigen vom Boreout Betroffene zwei zentrale Verhaltensweisen. So lenken sich viele einerseits ab, um den Tag trotzdem zu füllen: Sie surfen im Internet, telefonieren oder erledigen private Dinge. Andererseits täuschen sie darüber hinaus häufig ein hohes Arbeitspensum vor, indem sie Aufgaben unnötig in die Länge ziehen und Überstunden machen. Für den betroffenen Mitarbeiter aber auch für dich als Führungskraft, gibt es viele Stellhebel, um Boreout zu beseitigen. Allen voran natürlich das regelmäßige Mitarbeitergespräch.
Aber nun zu Euch! Kennt ihr Menschen, die unter Unterforderung leiden? Vielleicht seid ihr selbst betroffen und wollt erzählen, wie es euch so ergeht? Dann immer her mit euren Nachrichten.