Als Führungskraft ist es nicht nur Deine Aufgabe die aktuelle Leistung deiner Mitarbeiter zu bewerten, sondern auch eine Einschätzung zu treffen, was Deine Mitarbeiter noch so im Köcher haben. Ihr trefft eine Prognose wie und wohin sich die Karriere einer Person noch entwickeln kann.
Wie ich finde, eine schöne, aber auch sehr herausfordernde Aufgabe. Das Wort Potenzial stammt aus dem lateinischen und der Wortstamm Potenzia bedeutet so viel, wie Vermögen oder Kraft. Heißt, dass Potenzial sich auf die Zukunft bezieht und man sich die Frage stellen muss: Auf welches Leistungsniveau kann ein Mitarbeiter aufgrund seiner grundlegenden Fähigkeiten zukünftig kommen?
Ein zweiter Aspekt ist die Übertragbarkeit der heutigen Leistung auf andere Aufgaben. Ein Stabhochspringer, der locker über die 3m Marke springt, muss noch lange kein guter Kugelstoßer sein. Auch wenn der Vergleich komisch klingen mag, geht es bei der Aussage zum Potenzial genau darum: In welchen anderen Situationen kann ein Mitarbeiter noch ein bestimmtes Leistungsniveau zeigen?
Diese Faktoren beeinflussen das Potenzial der Mitarbeiter
Im Wesentlichen gibt es vier Faktoren, die das Potenzial von uns Menschen bestimmen.
- Intellektuelle Fähigkeiten: Also die Intelligenz, die die sehr allgemeine geistige Kapazität, die – unter anderem – die Fähigkeit zum schlussfolgernden Denken, zum Planen, zur Problemlösung, zum abstrakten Denken, zum Verständnis komplexer Ideen, zum schnellen Lernen und zum Lernen aus Erfahrung umfasst.
- Verhaltensflexibilität in sozialen Situationen: Kann ein Mitarbeiter in neuer Situation überhaupt ein angemessenes Verhalten zeigen à Also schmeißt unser Kugelstoßer die Kugel oder springt er drüber?
- Engagement und Leistungsbereitschaft: Arbeitet der Mitarbeiter bereits jetzt mit großem Einsatz an seinen Aufgaben und Zielen (Sonderaufgaben, Überstunden, besondere Hilfsbereitschaft) und sucht Herausforderungen.
- Erwiesene Lernfähigkeit und Lernbereitschaft: Ist der Mitarbeiter bereit sich in neue Themengebiete einzuarbeiten und dabei auch nach Fehlern nicht den Mut zu verlieren.
Im nächsten Schritt möchte ich dir einen Fall aus meiner Praxis vorstellen und Dir die Schritte erläutern, die ich mit meinem Klienten im Coaching besprochen habe. Mein Klient ist Abteilungsleiter und hat eine freie Gruppenleiter-Stelle. Stell dir also bitte folgendes Setting vor:
Ein hervorragender und sehr ehrgeiziger Experte möchte sich weiterentwickeln. Persönlich weist er jedoch einige Defizite auf. Er bewirbt sich um die freie Stelle als Gruppenleiter und droht mit Kündigung, falls er die Stelle nicht bekommt.
Problem: Das Potenzial des Mitarbeiters reicht für einen weiteren Karriereschritt nicht aus. Das hatte mein Klient aber lediglich als Bauchgefühl und Eigenwahrnehmung im Gepäck. Und sein Mitarbeiter sah das natürlich komplett anders.
Starten wir mal vorne! Ein Fachexperte möchte sich auf eine Führungsposition bewerben.
So weit, so normal. Du solltest aber direkt verstehen, dass wir hier bereits einen wesentlichen Knackpunkt haben. Führung ist ein komplett anderer Job als die Arbeit in einem Fachgebiet.
Potenzial Schritt 1: Anforderungen feststellen
Die erste Frage lautet also: Welche Anforderungen bringt die neue Aufgabe als Führungskraft eigentlich mit sich. Da Du in diesem Beispiel bereits diese Rolle ausfüllst, sollte dir das leicht fallen. Wenn nicht, schau in deinem Unternehmen nach Managementkompetenzen, Führungsleitbilder oder Führungsprinzipien, die dir Aufschluss darüber geben, was von Führungskräften verlangt wird.
Wichtig wären auch Stellenbeschreibungen der gewünschten Position, um das fachliche Aufgabengebiet besser zu verstehen und auch ein Gefühl für die Führungsspanne und -intensität zu erhalten. Wenn diese Instrumente keinen Aufschluss liefern, sprich mit deiner Personalabteilung, die sollten wissen, welche Kompetenzen und welches Können verlang wird. Die Personalabteilung ist hierbei sowieso eine gute Adresse. Denn dort sitzen (hoffentlich) Fachkräfte, die sich mit Potenzialeinschätzung auskennen und dich dabei unterstützen können. Nutze sie.
Potenzial Schritt 2: Potenzial einschätzen
Wenn klar ist, was verlangt wird, kannst du dich in einer ruhigen Minute damit beschäftigen, wo der Mitarbeiter steht. Im Grund hast du drei Möglichkeiten dich über das Potenzial zu informieren. Entweder fragst du den Mitarbeiter, du lässt dir bestimmte Aufgaben zeigen oder du fragst andere. Jetzt haben wir in diesem Fall eine besondere Situation, die gar nicht selten vorkommt. Der Mitarbeiter hat keine Führungserfahrung, will aber führen. Da bleibt dir nur die Möglichkeiten nach Parallelen zu suchen, die dir eventuell eine Antwort geben.
- Hat der Mitarbeiter in Projekten Führung übernommen?
- Hat der Mitarbeiter andere Kollegen eingearbeitet?
- Kann der Mitarbeiter Andere überzeugen, sich durchsetzen, seine Meinung sagen?
- Wird er bei Problemen aufgesucht?
- Kann er motivieren?
In größeren Unternehmen finden sog. Development Center statt, in denen Talente auf Herz und Nieren geprüft werden und eine valide Aussage zu ihrem Potenzial erhalten. Für den oben geschilderten Fall ebenfalls ein wichtiges Instrument. So eine neutrale Aussage entlastet natürlich auch dich als FK und gibt deiner Einschätzung ggf. Rückenwind.
Aber klar: Bekommt der Mitarbeiter dort attestiert, dass er es drauf hat, dann sind die Erwartungen klar.
Potenzial Schritt 3: Der Mitarbeiter schätzt sich ein
In meinem Fall können wir davon ausgehen, dass der Mitarbeiter Potenzial in sich sieht. Und das ist ja erstmal nicht verkehrt. In diesem Schritt geht es aber um eine konkrete Einschätzung anhand des Anforderungsprofils. Dort braucht es ein Committment, wo und wie groß die Differenzen zwischen der Selbsteinschätzung bzw. Fremdeinschätzung. Ihr müsst besprechen, ob und wie ihr diese Differenzen beseitigt? Da klärt ihr Fragen wie:
- Kann man das einfach im täglichen Doing lernen oder braucht es mehr? Kann man in diesem Umfeld eigentlich Lernen oder ist es zu viel Stress, Druck?
- Hat der MA die intellektuellen Fähigkeiten für den Job?
- Wie kannst du ihn als Führungskraft unterstützen?
Ziel in diesem Fall war es zu diesem Schritt 3 zu kommen und eine realistische Einschätzung der Lage zu erhalten. Dabei war es wichtig, ergebnisoffen an diese Schritte heranzugehen und dem Mitarbeiter natürlich den Schritt zu ermöglichen, wenn die Bewertung dies auch hergibt. Gleichzeitig geht es auch darum, einem Mitarbeiter ggf. klar aber wertschätzend zu sagen, dass dieser Schritt jetzt nicht in Frage kommt.
Mein Klient konnte die Schritte 1 und 2 bereits umsetzen und wartet nun auf die Ergebnisse des Development Centers, die er dann mit dem Mitarbeiter bespricht. Dort thematisiert er auch noch mal die angedrohte Kündigung.
Solche Aussagen sind natürlich kleine Sticheleien, die im Ohr und im Gedächtnis bleiben. Die Manipulationstechniken haben den Zweck ein sachliches Gespräch zu vermeiden. Mein Tipp: Trenne solche Aussagen vom Entwicklungswunsch und halte dich an den hier genannten Prozess.
Angst den Mitarbeiter zu verlieren, wäre ein schlechter Berater. Wenn du ihn entwickelst, verlierst du ihn sowieso als Fachexperten.
Sehr häufig passiert es ja, dass Führungskräfte Mitarbeiter mit geringem Potenzial einfach durchziehen oder sogar noch befördern. Das ist für alle Seiten gefährlich.
- FK: Du stehst im schlechten Licht da, weil du eine falsche Entscheidung triffst
- MA: Ist mit der aktuellen bzw. mit der neuen Aufgabe überfordert und zieht daraus Konsequenzen
- Kollegen: Fühlen sich ungerecht behandelt.
So viel von mir zum Thema Potenzial. Ich fasse es nochmal kurz zusammen:
Potenzial beschreibt das Vermögen einer Person zukünftige und andersartige Situation souverän zu lösen. Wenn Du das Potenzial deiner Mitarbeiter einschätzen willst, dann gehe folgende Schritte:
Potenzial Schritt 1: Anforderungen feststellen und
Potenzial Schritt 2: Potenzial einschätzen
Potenzial Schritt 3: Der Mitarbeiter schätzt sich ein und Diskussion der Ergebnisse
Wenn Du Fragen zu dem Thema hast, dann melde dich gerne bei mir. Mir bleibt nicht mehr viel übrig als Dir eine schöne Restwoche zu wünschen. Bis zur nächsten Folge.
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